Altersarmut in Deutschland: Immer mehr Menschen stocken ihre Rente mit Sozialhilfe auf
Von Susan Bonath
Die deutsche Sozialabbaupolitik der vergangenen drei Jahrzehnte vergrößert zunehmend die Kluft zwischen den Altersbezügen vieler Menschen und den realen Lebenshaltungskosten. Sie kommen nicht mehr über die Runden. Erwartungsgemäß verzeichneten amtliche Statistiker nun einen erneuten Anstieg von Rentnern, die zusätzlich staatliche Grundsicherung im Alter oder bei Erwerbsminderung beziehen. Die Bundesregierung sieht dem anhaltenden Trend weitgehend tatenlos zu.
Mehr als eine Million Aufstocker
Wie das Statistische Bundesamt in dieser Woche meldete, überstieg die Zahl der Rentner mit zusätzlichem Sozialhifebezug in Deutschland Ende 2023 erstmals die 1,2-Millionen-Marke. Betroffen waren damit knapp zwei Prozent mehr Menschen als im Jahr zuvor. Dazu gehörten rund 690.000 Ältere und 520.000 unter 66-jährige Erwerbsgeminderte.
Ein Teil des neuerlichen Anstiegs der Betroffenen geht demnach diesmal allerdings auf ukrainische Kriegsflüchtlinge zurück, die freilich nicht in ihr Land zurückkehren, solange die NATO-Staaten den von der Ukraine ausgetragenen Stellvertreterkrieg gegen Russland weiter anheizen. So nahm allein in dieser Gruppe die Zahl der Bezieher binnen Jahresfrist von gut 73.000 auf fast 87.000 zu, ein Plus von etwa 19 Prozent.
Die Bundesregierung hatte 2022 die Ukrainer gegenüber allen anderen Flüchtlingen besser gestellt: Statt Asylbewerberleistungen erhalten diese sofort die normale staatliche Grundsicherung. Das bedeutet: Während jüngere ukrainische Flüchtlinge, die erwerbslos sind, sofort Bürgergeld erhalten, haben die Älteren einen Anspruch auf Altersbezüge aus dem deutschen Sozialhilfetopf.
Altersarmut trifft besonders Frauen
Einen genauen Überblick über die Zunahme der Altersarmut geben diese amtlichen Daten aber nicht. Denn viele von Armut betroffene Menschen scheuen die bürokratischen Hürden oder beantragen aus Scham keine Hilfe, obwohl diese ihnen zustünde. Dies verdeutlichen Zahlen, die der Linken-Politiker Dietmar Bartsch im Januar vom Statistikamt angefordert hatte.
Laut dieser Auswertung verfügt fast die Hälfte aller deutschen Rentner über ein Nettoeinkommen von weniger als 1.250 Euro. Betroffen waren insgesamt 7,5 Millionen ältere Menschen, darunter 5,3 Millionen Frauen, also über die Hälfte aller knapp zehn Millionen Rentnerinnen in Deutschland.
Mehr als jede dritte Rentnerin in Deutschland, etwa 3,6 Millionen Frauen, verfügte danach sogar über weniger als 1.000 Euro monatlich. Zudem betraf dies gut eine Million Männer, knapp 14 Prozent aller Rentner. Dies verdeutlicht, dass Altersarmut in Deutschland nach wie vor besonders Frauen betrifft. Grund dafür sind strukturelle Probleme, die Frauen systematisch benachteiligen und seit Jahrzehnten bekannt sind, zum Beispiel geringere Löhne, mehr Teilzeit und berufliche Ausfallzeiten durch Kindererziehung sowie fehlende oder mangelhafte Betreuungsmöglichkeiten.
Strukturell benachteiligt
Das ist der Regierung wohlbekannt. Nach Angaben des Bundesfamilienministeriums verdienen Frauen in der Bundesrepublik nach wie vor selbst für die gleiche Arbeit bei gleicher Qualifikation häufig weniger als ihre männlichen Kollegen. Im Durchschnitt lag diese Lücke zuletzt bei rund sechs Prozent, heißt es dort. Insgesamt betrage die Kluft sogar 18 Prozent.
Das Ministerium zählt etliche, seit langem bekannte, aber kaum bekämpfte Gründe auf: Frauen müssten häufiger ihre Berufslaufbahnen aus familiären Gründen unterbrechen. Der Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt sei ihnen oft nur über Teilzeit- oder Minijobs möglich. Bei den Aufstiegschancen würden Frauen zudem in Erwartung von familienbedingten Ausfallzeiten oft benachteiligt. Darüber hinaus würden eher frauentypische Berufe, etwa im sozialen oder Dienstleistungsbereich, besonders schlecht entlohnt.
Diese strukturellen Probleme führen zwangsläufig dazu, dass viele Frauen sich weniger Rentenansprüche erarbeiten können. Das führt viele in die Altersarmut und sorgt zugleich für lebenslange finanzielle Abhängigkeit von ihren Ehemännern.
Armenhaus Ostdeutschland
Mit niedrigeren Renten müssen sich überdies nach wie vor Menschen in Ostdeutschland abfinden. Denn im Jahr 34 nach der sogenannten Wiedervereinigung ist die Lohnlücke zwischen Ost und West kaum gesunken, wie zahlreiche Medien unter Berufung auf die Nachrichtenagentur dpa meldeten.
Demnach verdienten in Vollzeit lohnabhängig Beschäftigte in Ostdeutschland im Mittel ganze 824 Euro weniger pro Monat als ihre westdeutschen Kollegen. Diese Differenz zwischen Ost- und Westlöhnen sei damit im Vergleich zum Vorjahr um gerade einmal 18 Euro geschrumpft, hieß es unter Berufung auf eine Antwort des Statistischen Bundesamtes auf Anfrage des Leipziger Linken-Politikers Sören Pellmann.
Die Statistiker hatten für westdeutsche Vollzeitbeschäftigte einen durchschnittlichen Bruttolohn von knapp 4.580 Euro ermittelt, während dieser für Ostdeutsche bei rund 3.750 Euro lag. Hier ist wohl einzuschränken, dass auch sehr hohe Einkommen Eingang in diese Daten fanden. Demzufolge verdienen Ostdeutsche noch immer fast ein Fünftel weniger als ihre Westkollegen, was sie freilich auch im Alter ärmer macht.
Der Bundestagsabgeordnete Pellmann kritisierte, dass seine Partei seit "über drei Jahrzehnten gleichwertige Lebensverhältnisse in Ost und West" fordere.
"Die Realität sieht aber weiterhin anders aus."
Er sprach von einer "Niedriglohnorgie" im Osten und forderte die Gewerkschaften auf, sich mehr gegen diese strukturelle Ungleichheit zu engagieren. Bislang hielt sich deren diesbezüglicher Kampfgeist allerdings in Grenzen.
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